Montag, 22. Januar 2024, 19:30 Uhr

Fortepiano Soirée – Jermaine Sprosse, Fortepiano

Jermaine Sprosse springt dankenswerterweise für Els Biesemans ein, deren Konzert auf die nächste Saison verschoben wird.

Werke von Johann Christoph Friedrich Bach, Carl Philipp Emanuel Bach, Wilhelm Friedemann Bach

Er ist laut Wilhelm Friedemann Bach „unter den Brüdern der stärkste Spieler gewesen“, der „seines Vaters Clavierkompositionen am fertigsten vorgetragen“ hätte: Johann Christoph Friedrich Bach (1732-1795), heutzutage der „Bückeburger Bach“ genannt.

Die späten Claviersonaten und Einzelstücke J. C. F. Bachs aus dem Zeitraum von 1780 bis ca. 1790, welche im Zentrum dieser Soirée stehen, sind Werke von grossem Erfindungsreichtum, aber auch reich an Witz, Charme und emotionaler Tiefe. In den Sonaten zeigt sich Friedrich Bachs Nähe zu dessen älterem Halbbruder Carl Philipp Emanuel, insbesondere in den empfindsamen langsamen Sätzen. Die Ecksätze zeigen ihn als Komponisten, der sich über die Wandlungen und Neuerungen in der musikalischen Sprache seiner Zeit voll bewusst war. Er war offensichtlich über die jüngsten Entwicklungen der Orchester- und Kammermusik – letztere befand sich spätestens seit der Entstehung von Joseph Haydns Streichquartetten op. 20 von 1772 europaweit im Umbruch – „à jour“. Dies dürfte auch mit seiner Stellung als Chef der „Bückeburger Hofkapelle“ im Zusammenhang stehen, immerhin einem der besten Klangkörper seiner Zeit.

Bei seinen Clavierwerken zeigt sich diese moderne Musiksprache nicht nur in den modischen Rondos am Ende vieler Sonaten; auch Kopfsätze wie das „Allegro con spirito“ aus der D-Dur-Sonate, welches eine späte Trilogie von Claviersonaten eröffnet, belegen Friedrich Bachs neuartige, dabei nicht rein pianistische, sondern ebenso orchestral-sinfonische Denkweise. Diese drei Sonaten (BR JCFB A 13-15) führte Bach offenbar zu Ehren der englischen Königin Charlotte 1788 im Rahmen einer zweiten, wenig bekannten Englandreise erstmals auf, und sie sollen, so Bach in einem Brief an den Wiener Verleger Artaria, der Königin sehr gefallen haben!

Friedrich Bachs einziger Fuge, deren Autorschaft gesichert ist, steht die im Sommer 2022 von Jermaine Sprosse komponierte Fantasie «J. C. F. Bachs Empfindungen» (inspiriert von der Fantasie C. P. E. Bachs aus dem Jahr 1787, «C. P. E. Bachs Empfindungen») voran. Sie repräsentiert Bachs Stil in dessen letzten Lebensjahren, aus welchen Sinfonien, jedoch keine Clavierstücke erhalten sind. Die Fantasie mit Fuge sowie Bachs heitere, an den «Londoner» Johann Christian Bach erinnernde F-Dur-Sonate mit ihrem witzigen «Tempo di Minuetto»-Finale bilden eine tonartlich wie motivisch verbundene Gesamtszene.

Im Gegensatz zum jüngeren Halbbruder nimmt die «freye» Clavierfantasie im Schaffen Carl Philipp Emanuel Bachs einen wichtigen Platz ein, vom Beispiel aus den Probestücken zu seinem «Versuch über die wahre Art, das Clavier zu spielen» bis zu den späten Fantasien in den «Sammlungen für Kenner und Liebhaber» der 1780er Jahre. Man könnte sagen, dass diese zumeist metrisch ungebundene Gattung ein ideales «Gefäss» für die raschen Stimmungswechsel, harmonischen «Trügereyen» und die insgesamt sprudelnde, hochvirtuose Spielfreude des «Hamburger» Bach bietet. In seiner letzten Fantasie aus der «sechsten Sammlung», in C-Dur, lotet C. Ph. E. Bach die rhythmischen und formalen Freiheiten allerdings nicht mehr aufs Äusserste aus; vielmehr zeigt er sich hier mit modernem Anstrich, nämlich als Haydn-inspirierter, unerwartet packender, plastisch denkender Clavier-Dramatiker.

Die späten Rondos fürs Fortepiano von C. P. E. Bach sind in ihrer Art einzigartige, in formeller Hinsicht geradezu ausgesprochen experimentelle Stücke. Carl Philipp Emanuel Bach verwendete sie, im Unterschied zu seinem Bruder Johann Christoph Friedrich, nicht als Sonatenfinale, sondern als alleinstehende, hochentwickelte und den Fantasien nahestehende Werke. Eines der gelungensten Beispiele ist das kompakt wirkende c-Moll-Rondo aus der 1785 gedruckten «5. Sammlung für Kenner und Liebhaber» mit seinem einerseits draufgängerisch-forschen, andererseits nachdenklichen, zweifelnden Charakter. Besonders bemerkenswert ist der Schluss: Bach lässt gleichsam «aus der Tiefe» den Beginn des Rondo-Hauptthemas (ein aufwärts arpeggierter c-moll-Dreiklang) erklingen und beendet – ähnlich einem Scherz à la Haydn – das Stück damit abrupt. Der Schlusston des Rondos, «g», ist zugleich der Anfangston von J. C. F. Bachs XVIII Variationen über die Brunette «Ah vous dirai-je, Maman». Da die Variationen in G-Dur stehen, wirkt das c-moll-Dreiklangsmotiv am Schluss des Rondos rückblickend wie eine Mollsubdominante – ein wunderbarer Höreffekt, dank dem sich die Kombination beider Stücke als sehr reizvoll erweist. Das Thema der Variationen ist heute bekannt als «Morgen kommt der Weihnachtsmann» im deutschsprachigen Raum sowie «Twinkle, twinkle, little star» im Angelsächsischen Gebiet.

Jermaine Sprosse hat im Herbst 2023 eine Ersteinspielung dieser Werke auf einem originalen Haselmann-Hammerflügel bei Prospero Classical veröffentlicht und ist dafür bereits mit einer Reihe von Auszeichnungen und hervorragenden Kritiken geehrt worden.

Jermaine Sprosse

Tickets
Programm

Künstlerische Leitung: Thomas Ragossnigwww.thomasragossnig.ch